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Werke von 2017 bis 1999

Manifestierte Metamorphosen – zum Motiv der Verwandlung im künstlerischen Schaffen von Barbara Karsch-Chaïeb, Auszug aus dem Katalogt Zwischenzeitlich von Corinna Steimel, Leiterin der Städtischen Galerie Böblingen

Betritt man das Atelier von Barbara Karsch-Chaïeb, wird man bereits beim flüchtigen Anblick des Nebeneinanders der vollendeten sowie sich noch im Entwicklungsgang befindenden Arbeiten von deren eindringlichen wie gleichsam unaufgeregten Ausstrahlung überwältigt. Diese erhabene Zurückhaltung zieht sich durch das Gesamtwerk der 1967 im schwäbischen Hechingen geborenen Künstlerin.
Augenblicklich fällt die hohe haptische Materialbeschaffenheit der Arbeiten auf, die eine objekthafte Ausdrucksskraft der verwendeten, im Kunstbereich eher unüblichen Bildsubstanzen vermittelt. Durch die gedeckte Farbpalette in Kombination mit der fragil-filigranen Formfindung meint man, etwas von tiefer Erdverbundenheit zu spüren, die simultan von einer transzendenten Aura umwoben wird. Aufgrund der den Arbeiten innewohnenden Komplexität wird der sensible Betrachter gedanklich unwillkürlich auf die vielschichtigsten und wandlungsfähigsten Vorstellungswelten verworfen. Unwillkürlich gewinnt man den Eindruck, als hätte man etwas gefunden, das man im Dschungel der tagtäglich ablaufenden Wahnsinnigkeiten zwar schon gesucht, doch schlichtweg verloren geglaubt hatte – den Sinn für das Wahrhafte und Wesentliche. Erden, Mineralien oder Steinarten haben bisher – abgesehen von der Land Art – in der Gegenwartskunst kaum Beachtung gefunden. Barbara Karsch-Chaïeb lässt sich mit Vorliebe von natürlich vorkommenden, unter dem Erboden verborgenen Naturmaterialien, von teilweise über Jahrmillionen existierenden „Erd- und Gesteinsschichten“ inspirieren. So gewinnt sie etwa Farbpigmente aus der versteinerten Substanz des Schiefers und aus Kohle, was exemplarisch in ihrer Werkreihe „Lines“ aus den Jahren 2014 und 2015 zum Ausdruck kommt. Diese äußerst einfühlsamen Arbeiten auf Papier sprechen eine deutlich essentiell-existenzielle Sprache, was die Suche der Künstlerin nach Wesenhaftigkeit und Ursprünglichkeit untermauert. Ihre urwüchsigen Materialien stammen sowohl aus der näheren Umgebung, beispielsweise der Schwäbischen Alb (Ölschiefer), als auch aus fernen Ländern wie Nord-Amerika (Jarosit), Brasilien (Fuchsit-Mineral), Russland (Jade), Mexiko (Obsidian), Chile (Lapislazuli) und Marokko (Marokkanischer Ocker). Die Künstlerin wurde ebenso auf ihren zahlreichen Reisen beispielsweise in Frankreich (roter Ocker), Großbritannien (Bideford Schwarz), Italien (Marmorstein, Siena Erde, Erde aus Otranto), Algerien, Polen und Israel fündig.
Werk oben: Argentinien, 1999, Rote Erde aus Argentinien und Schiefer hellst. auf Leinwand, 8 Teile je 25 x 25 x 4 cm. Privatbesitz.

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